Andacht von Frank Hasel

Mein Großvater, Franz Hasel, war ein ordinierter Prediger der Gemeinde der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland. Im Zweiten Weltkrieg wurde er gegen seinen Willen ins Militär abkommandiert. Weil mein Großvater die Gebote Gottes einhalten wollte, einschließlich des Gebots “Du sollst nicht töten”, stellte er den Antrag, im militärischen Sanitätsdienst zu dienen, und weigerte sich, eine Waffe zu benutzen. Aber seinem Antrag wurde nicht stattgegeben. Stattdessen wurde er in eine andere Truppeneinheit versetzt, wo er als Mitglied dieses Militärverbandes an der Front zu dienen hatte. Allerdings nahm er seine Überzeugung, nicht töten zu wollen, so ernst, dass er für die Dauer des Krieges in seinem Pistolenhalfter eine Waffe trug, die aus Holz war. Obwohl er viele Male glaubte, dass er kurz davor war, den Tod zu erleiden, hat Gott meinen Großvater auf wundersame Weise immer wieder und wieder beschützt. Seine inspirierende Geschichte kann in dem Buch Mit Gott an unserer Seite gelesen werden.

Mein Großvater erzählte uns oft eine Geschichte, die in dem genannten Buch nicht enthalten ist. Während seines Dienstes in Russland, weit weg von Zuhause, hatte seine Einheit den Auftrag, die Häuser in allen Dörfern zu durchsuchen, welche die Deutschen auf ihrem Vorstoß nach Russland erobert hatten. Ihnen wurde befohlen, nach Untergrundkämpfern zu suchen, die sich innerhalb von Wohnhäusern versteckten und die vorrückenden deutschen Truppen attackierten. Ihnen wurde aufgetragen, dass sie ohne Unterschied jede Person, die sie dort versteckt fanden, sofort erschießen sollten.

Eines Tages, als mein Großvater gründlich ein Haus durchsuchte, hatte er dieses Empfinden, dass irgendetwas ungewöhnlich war. Als er ein bestimmtes Zimmer betrat, fand er es leer vor, trotzdem hatte er den Eindruck, dass irgendetwas verdächtig war. Als er unter das Bett schaute, sah er einen jungen Mann, der ihn direkt anstarrte. Mein Großvater wusste, dass wenn er die Anwesenheit dieses jungen Mannes aufdecken würde, dass dieser auf jeden Fall erschossen werden würde. Die beiden sahen sich gegenseitig für den Bruchteil einer Sekunde in die Augen, aber es wirkte wie eine Ewigkeit. Dann stand mein Großvater auf, verließ das Zimmer und schwieg über das, was er gesehen hatte. Er hatte Mitleid mit diesem jungen Mann und verschonte sein Leben.

Einige Wochen später erhielt mein Großvater den Auftrag, an einer maßgeblichen Eisenbahnstrecke Patrouille zu laufen. Seine Aufgabe war es sicherzustellen, dass die Gleise nicht von irgendwelchen Untergrundkämpfern bombardiert würden. Er war bei dieser Begutachtung gerade allein unterwegs, als eine Gruppe von russischen Kosaken auf ihren Pferden schnell auf ihn zustürmte. Es gab keine Möglichkeit für ihn zu entkommen. Er bereitete sich innerlich auf den Tod vor, weil er glaubte, dass sie ihn mit Sicherheit töten würden.

Innerhalb kürzester Zeit wurde er von der Gruppe umzingelt, aber als mein Großvater das Gesicht ihres führenden Kommandanten sah, war er total schockiert. Es war derselbe junge Mann, den er in diesem Haus getroffen hatte, wo er sich unter dem Bett versteckt hielt. Sofort erkannten sie sich gegenseitig wieder. Der junge kosakische Kommandeur richtete sein Gewehr auf meinen Großvater, womit er ihm eine Botschaft signalisierte: „Ich könnte Sie jetzt töten“, deutete er an, „aber Sie waren so freundlich, mein Leben zu verschonen. Also werde auch ich Ihr Leben verschonen.“ Dann befahl er seinen Männern weiterzureiten. Dadurch, wie Gott die Umstände lenkte, war das Leben meines Großvaters wieder einmal verschont worden. Seine liebevolle Güte dem Mann gegenüber und seine Treue Gott gegenüber wurden jetzt ihm selbst zuteil. Ich bin so dankbar für das tugendhafte Leben und das Vorbild der gläubigen Treue und liebevollen Güte, die mein Großvater hinterlassen hat. Dieses Vermächtnis kann auch das unsere sein.

Die Gläubigkeit weist eine besondere Eigenart auf. Obwohl man beispielsweise ein kleines bisschen Ruhm aufweisen kann oder ein kleines bisschen Reichtum, kann man nicht ein kleines bisschen gläubig sein. Gläubigkeit hat etwas Einzigartiges an sich, das eine ungeteilte Aufmerksamkeit erfordert. Entweder man ist zu 100 Prozent gläubig und treu, oder man ist ungläubig. Wenn du zu 95% gläubig bist, dann bist du nicht gläubig, sondern ungläubig. Gläubigkeit erfordert völlige Hingabe. Gott wünscht sich unsere ungeteilte Loyalität und eine vollständige, umfassende Weihe ihm gegenüber.

Im Alten Testament lesen wir die Geschichte von Daniel, der in die Löwengrube geworfen wurde, weil er nicht bereit war, bezüglich seines Glaubens an Gott Kompromisse einzugehen. Als Daniel sich als eine weise, zuverlässige Führungskraft des Königs hervortat, erweckte das den Neid in seinen Feinden, und sie hielten nach Möglichkeiten Ausschau, wie sie ihn eines Fehlverhaltens beschuldigen konnten. „Aber sie konnten keine Schuld oder irgendetwas Nachteiliges finden, weil er treu war und keine Nachlässigkeit noch irgendein Vergehen bei ihm gefunden werden konnte.“ (Daniel 6,5) Meine Hoffnung ist, dass unsere Feinde (falls wir welche haben) und unsere Freunde und alle diejenigen, die unser Leben inmitten dieser COVID-19-Krise beobachtet haben, die gleiche Entdeckung über uns machen werden! Mögen wir Menschen sein, die bekannt sind für ihre aufrichtige liebevolle Gütigkeit, die sie voller Sanftheit anderen entgegenbringen, und mögen wir respektiert werden für unsere glaubensvolle Treue, die wir in den täglichen Dingen praktizieren. Und mögen wir wie Daniel Gott vertrauen, dass er sich um uns kümmert, wenn wir seinem Willen gegenüber Glauben und Treue beweisen. Egal, was die Zukunft für uns bereithält, lasst uns Männer und Frauen sein, die freundlich zueinander sind und Treue gegenüber Gott und Seinem Wort beweisen.

Dr. Frank M. Hasel ist Theologe und assoziierter Direktor des Biblischen Forschungsinstituts an der Generalkonferenz der Siebenten-Tags-Adventisten. Frank ist außerdem Bestseller-Autor und der Co-Autor der aktuellen Sabbatschullektion dieses Viertels: Wie legen wir die BIBEL aus? Die Geschichte, die hier in der Andacht dieser Woche erzählt wurde, findet sich in seinem neusten Buch:   Living for God: Reclaiming the Joy of Christian Virtue


HERZENS-FRAGEN:  

Auf welche Weise kannst du aufrichtige Taten liebevoller Freundlichkeit an die Menschen um dich herum weitergeben? In welchen Bereichen findest du es schwierig, anderen gegenüber freundlich und Gott gegenüber treu zu sein? Welches sind einige der speziellen Wege, wie du gern in deiner glaubensmäßigen Treue wachsen möchtest? Daniel ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Treue eines einzigen Menschen Gott gegenüber Auswirkungen auf ein gesamtes Königreich hatte. Wie könnte dein liebevolles, freundschaftliches Verhalten anderen helfen, Gottes wahren Charakter zu erkennen, und wie könnte deine Treue zu Gott die Türen öffnen für die Menschen um dich herum, um ihnen Seine Treue zu offenbaren?

HERZENSAUFRUF ZU AKTIVEM HANDELN:

Es kann leicht sein, öffentlich ein Bekenntnis zu deiner Treue zu Gott in Form von Worten und Liedern abzulegen. Allerdings ist es oft gerade in den unscheinbaren Dingen des Lebens – wenn niemand zuschaut oder zumindest niemand, den du kennst, zuschaut – dass die Echtheit und Aufrichtigkeit des eigenen Glaubens und der Treue auf die Probe gestellt wird. Bitte Gott, dass er dir hilft, die Bereiche in deinem Leben zu erkennen, an denen gearbeitet werden muss. Bete darum, dass Jesus Sein Leben in dir lebt, und bete um die Stärke, dass, wenn eine Versuchung sich meldet, du dich für die Alternative der glaubensvollen Treue entscheidest.   

Ellen White: „Unter außergewöhnlichen Umständen Begeisterung zu zeigen ist keineswegs ein Beweis dafür, dass jemand ein Christ ist. Heiligkeit ist nicht Verzückung, sondern völlige Übergabe des eigenen Willens an Gott. Heiligkeit bedeutet, von einem jeglichen Wort zu leben, das aus dem Munde Gottes geht; den Willen unseres Vaters im Himmel zu tun; ihm in Anfechtungen und in der Finsternis ebenso wie im Licht zu vertrauen; im Glauben und nicht im Schauen zu wandeln; sich auf Gott in bedingungslosem, unerschütterlichem Vertrauen zu verlassen und in seiner Liebe zu ruhen.“ (Das Wirken der Apostel, S. 52f)

Zur weiteren Vertiefung schlagen wir für diese 13. Woche folgende Literatur vor:

[Da die meisten Leser die von der GK empfohlene Zusatzliteratur nicht griffbereit haben, schicken wir euch einige ausgewählte Abschnitte bzw. Übersetzungen als Anhänge an die Gebetsbriefe mit]

1) Ellen White: „Christliche Wohltätigkeit“, Kapitel 17 aus IM DIENST FÜR CHRISTUS. [Ausschnitte aus diesem Kapitel sind den Gebetsbriefen von Tag 87 bis Tag 89 angehängt]

2) Frank M. Hasel: Living for God; Reclaiming the Joy of Christian Virtue [Übersetzungen von Ausschnitten dieses Buches sind den Gebetsbriefen von Tag 85 und Tag 86 angehängt]


Wir wenden uns an Jesus mit unseren dringenden Bedürfnissen

Gebets-Anliegen (Tag 85 – Freitag, 19. Juni 2020)

DANKENSWERTE  BERICHTE:

Lovesky J.: „Gott legte es mir ans Herz, die Botschaften der 100 Tage des Gebets an andere weiterzugeben, und innerhalb von einem Tag hatten sich mehr als 500 Personen eingetragen, um die Botschaften über WhatsApp und eine Telegram-Plattform von mir zu erhalten. Wir beten jeden Abend um 20 Uhr.

Wir können deutlich sehen, wie Gott an die Leitungspersonen und Glieder seiner Gemeinde auf der ganzen Welt Segnungen und Weisheit verleiht, damit sie mit den Herausforderungen der Pandemie und darüber hinaus fertigwerden können. Seien es die Bereiche Finanzen, Gesundheit, Eröffnung der Gemeinden – Gott wirkt durch den Sturm hindurch!

Betet um mehr glaubensvolle Treue in eurem Leben und um ein Herz, das immer die liebevolle Güte Jesu widerspiegelt.      

Betet für das Manna-Haus in Großbritannien, ein Gesundheitszentrum, welches plant, ein Post-COVID-19-Rehabilitations-Programm durchzuführen, um durch die Gesundheitsbotschaft Menschen für Jesus zu erreichen. Betet darum, dass sie die erforderliche Genehmigung der Regierung erhalten.

Betet für das Ausbildungszentrum in Nord-Sumatra, das für das 1000-Missionare-Programm tätig ist; ebenso für alle anderen Ausbildungseinrichtungen für Missionare. Betet, dass sie Wege finden, ihr Missionswerk trotz der COVID-19-Pandemie weiterzuführen.

Betet für die Geschwister, die aufgrund der Pandemie, oder aus anderen Gründen, Angehörige bzw. andere geliebte Menschen verloren haben.


[ Der folgende Text ist eine Übersetzung aus dem Buch von Frank Hasel, das zu der von der GK empfohlenen Zusatzliteratur für Woche 13 gehört ]   

FÜR GOTT LEBEN

DIE FREUDE DER CHRISTLICHEN TUGEND WIEDERGEWINNEN

Kapitel 1, Teil 1

Tugendhafte Herzen und Verstandeskräfte

„Intelligenz plus Charakter – das ist das Ziel wahrer Erziehung.“ (Martin Luther King Jr.)

„Ich liebe dich mit meinem ganzen Verstand!“

Hast du jemals gehört, dass jemand diese Formulierung benutzt, z.B. in einem Liebesfilm oder als Teil des Ehegelübdes auf einer Trauung? Wahrscheinlich nicht. Diese Liebeserklärung klingt zunächst ziemlich fremdartig, nicht annähernd so aufrichtig bzw. liebevoll wie das traditionelle „Ich liebe dich von ganzem Herzen.“ Aber es etwas ganz einzigartig Besonderes dabei, von jemandem mit seinem Verstand geliebt zu werden. Es ist eine wunderbare Sache, wenn eine Person ihre mentalen, verstandesmäßigen Kapazitäten ausweitet, um auf intelligentere Weise zu lieben und Dinge zu verstehen.

Je besser wir Gott kennen, desto mehr werden wir Ihn und andere Menschen lieben. Wir können unsere Liebe durch Worte ausdrücken, wenn wir „die Wahrheit reden in Liebe“ (Epheser 4,15). Wir können unsere Liebe durch Taten ausdrücken, indem wir „Gutes tun, reich werden an guten Werken, freigebig sind, bereit, mit anderen zu teilen“ (1. Timotheus 6,18). Wir können unsere Liebe auch auf eine Weise zum Ausdruck bringen, die oft übersehen wird. Indem wir mit unserem Verstand lieben.

Typischerweise ordnen wir Liebe in erster Linie als ein Gefühl ein. Gott möchte tatsächlich, dass Seine Liebe unsere Herzen berührt und unsere Gefühle beeinflusst. Aber Er möchte auch, dass diese Liebe unseren Verstand berührt und unsere Gedanken beeinflusst.

Das Neue Testament berichtet über eine wichtige Unterhaltung zwischen Jesus und einem Schriftgelehrten. Bei diesem Gespräch ging es um Angelegenheiten von ewiger Tragweite. Er fragte Jesus, was man tun muss, um das ewige Leben zu ererben. Jesus forderte den Mann auf, sich ins Gedächtnis zu rufen, was die Heilige Schrift dazu sagt. Darauf antwortete er: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft und mit deinem ganzen Verstand und deinen Nächsten wie dich selbst.“ (Lukas 10,27 Hervorhebung hinzugefügt) Jesus stimmte dieser Antwort zu.

Dies ist eine bemerkenswerte Aussage. Du sollst Gott lieben, nicht nur mit deinem Herzen, sondern mit deinem ganzen Verstand! Das griechische Wort, das hier für Verstand benutzt wird, ist διάνοια (dianoia), was folgende Aspekte beschreibt: „Aktivität des Denkens“, „etwas begreifen oder nachvollziehen“, „argumentieren, schlussfolgern“ und „Überlegungen anstellen“ im Sinne von „etwas verstehen“. Uns Menschen, dem krönenden Werk der Schöpfung Gottes, ist die Gabe des intelligenten Denkens geschenkt worden – die Fähigkeit, über das Leben nachzudenken sowie über Gott, die Natur, die Wissenschaft, über andere Menschen und über uns selbst.

Psychologen schätzen, dass pro Tag zwischen sechzigtausend und achtzigtausend Gedanken durch den menschlichen Verstand laufen. Das sind ungefähr dreitausend Gedanken pro Stunde! Unsere Gedanken sind kostbare Ressourcen, die genutzt werden können, um unser eigenes Leben sowie das Leben der Menschen um uns herum zu verbessern. Richtiges Denken kann auch dem Schöpfer unseres Verstandes Freude schenken: „Siehe, du liebst Wahrheit, die im Verborgenen liegt, und im Geheimen tust du mir Weisheit kund.“ (Psalm 51,8)

Tugendhaftes, rechtschaffenes Denken ehrt Gott und hilft uns, uns fortzuentwickeln zu allem, was wir möglicherweise sein können. Wir wollen uns einige der Schlüssel-Charakteristika des tugendhaften Denkens anschauen: gedankliche Sorgfältigkeit, gedankliche Vorurteilslosigkeit, gedankliche Ehrlichkeit und gedankliche Demut.